Unterwäsche aus Holz? Chemiefasern im Nachhaltigkeits-Check
Wer sich genauer anschaut woraus Kleidungsstücke hergestellt sind, wird früher oder später auf eine Bezeichnung wie Modal, Viskose oder TENCEL™ stossen. Wir versuchen euch heute aufzuzeigen was der Unterschied zwischen diesen Fasern ist und wie ihr den Nachhaltigkeits-Check machen könnt.
Natürliche Rohstoffe – chemisch modifiziert
Dazu machen wir erst einen Abstecher in die Geschichte zum nicht so nachhaltigen Vorgänger Viskose oder auch Reyon genannt. Schon 1890 wurden die ersten Viskosefasern industriell hergestellt: Man hat die Faser auf der Suche nach einer günstigen Alternative zur Seide entdeckt und damals als Kunstseide verkauft. Ursprünglich wurde sie aus Baumwolle, später aus Holzfasern hergestellt. Viskose kann theoretisch aus jedem zellulosehaltigen Rohstoff hergestellt werden. Zellulose wiederum ist der Hauptbestandteil pflanzlicher Zellwände und damit die häufigste organische Verbindung.
Beim chemischen Herstellungsverfahren wird die Zellulose aus dem jeweiligen Rohmaterial gelöst und mit Hilfe von Wasser, Schwefelkohlestoff und Natronlauge in einen zähflüssigen Zustand gebracht. Diese Masse wird dann zu Fasern verarbeitet, indem sie unter hohem Druck durch feine Löcher gepresst wird.
Durch diesen Veränderungsprozess darf die Faser nicht mehr als Naturfaser bezeichnet werden, auch wenn der Rohstoff natürlich ist. Es handelt sich nun um Chemiefasern. Synthetische Fasern, wie z.B. Polyester oder Nylon werden übrigens ähnlich, aber mit anderen Rohmaterialien (Erdöl) hergestellt.
Obwohl heute schonende Verfahren existieren, führt die Herstellung von Viskose immer noch oft zu Verschmutzungen von Boden, Gewässer und Luft und hat negative Auswirkungen auf die Gesundheit der Arbeiter:innen und Anwohner:innen
Die «herkömmliche Viskose» wird auch heute noch wie vor fast 100 Jahren mit dem Einsatz hochgiftiger Chemikalien hergestellt, meist in Fabriken in China, Indien und Südasien. Oft verschmutzen diese Chemikalien dann wegen unzureichender Schutzmassnahmen durch die Herstellerfirmen Wasser, Boden, Luft und zerstören so lokale Ökosysteme. Zudem wirken sich die entstehenden Dämpfe auf die Gesundheit der Arbeiter:innen und Menschen aus, die in der unmittelbaren Umgebung der Fabriken wohnen. Die Changing Markets Stiftung hat einen eindrücklichen Bericht dazu veröffentlicht.
In den 60er Jahren wurde Modal als Weiterentwicklung der Viskose erfunden, als man versuchte die Kunstseide widerstandsfähiger zu machen. Modal besteht aus Buchenholz, die Herstellung ist der Viskose Herstellung sehr ähnlich und ebenso in vielen Werken auch heute noch problematisch.
Dabei existieren bereits seit längerer Zeit Verfahren, mit denen Viskose oder eben auch Modal in einem geschlossenen System hergestellt werden kann, wobei die Chemikalien immer wiederverwendet, anstatt in die Umwelt abgegeben werden. Dieses geschlossene System aufzubauen, inklusive Wasseraufbereitung kostet aber viel Geld, das leider viele Firmen nicht bereit sind zu investieren oder Konsumenten nicht bereit sind für ihre Kleidung zu bezahlen.
Die österreichische Firma Lenzing produziert Viskose und andere Chemiefasern in geschlossenen Kreisläufen und mit schonenden Methoden. Dadurch, dass Chemikalien und Wasser immer wiederverwendet werden, fallen keine Abfallprodukte an
Marktführer und Pionier auf diesem Gebiet ist die österreichische Firma Lenzing, die seit Jahren in die Forschung mit Textilfasern investiert. Das Textilunternehmen hat patentierte und preisgekrönte Verfahren entwickelt, um möglichst schonend Textilfasern herzustellen. Bei Lenzing werden geschlossene Kreisläufe verwendet, wobei keine Schadstoffe das Werk verlassen, und es wird mit sauerstoffbasierten, weniger aggressiven Chemikalien gearbeitet, die zudem in einem Kreislaufverfahren immer wieder verwendet werden können.
Neben Viskose (unter dem Markennamen EcoVero™) stellt Lenzing auch TENCEL™ Modal- und Mikromodalfasern her. Den Unterschied zwischen den beiden Modal Arten macht aus, dass Mikromodal aus feineren Fäden besteht und die daraus produzierten Textilien noch feiner gestrickt werden.
Die Firma Lenzing setzt bei der Herstellung und in ihren Tätigkeiten generell einen hohen Anteil an erneuerbarer Energie und biogenen Brennstoffen ein. Sie achtet nicht nur bei der Produktion, sondern bei jeglichen Geschäftsprozessen (z.B. auch dem Ausbau und Unterhalt der Büroräumlichkeiten) auf ihren ökologischen Fussabdruck. Dank diesen Bemühungen und dank dem Bezug des Rohstoffs Buchenholz aus heimischen, FSC zertifizierten Wäldern, ist die von Lenzing hergestellte Modalfaser CO2 neutral, zumindest bis zum Zeitpunkt, zu dem sie das Werk in Lenzing verlässt.
Es geht auch ganz ohne schädliche Stoffe: Ist Lyocell die bessere Wahl?
Nach Viskose und Modal gibt es seit den 90er Jahren auch Lyocell, eine Faser die im Punkt Zellulosegewinnung als noch etwas nachhaltiger eingestuft werden kann als Modal. Auch hier ist wieder die Firma Lenzing ganz vorne mit dabei, die diese Textilfaser unter dem Markennamen TENCEL™ vertreibt. Dass dieser Markenname ebenso verbreitet ist wie die offizielle Faserbezeichnung Lyocell, oder sogar noch bekannter, beweist die Vormachtstellung des Textilpioniers in diesem Bereich.
Im Lyocell Herstellungsprozess wird als Lösungsmittel N-Methylmorpholin-N-oxid (NMNO) verwendet, eine organische Verbindung, die ungiftig und biologisch abbaubar ist. Neben den vollständig biologisch abbaubaren Lösungsmitteln kann das Abwasser, das durch den Prozess entstanden ist, immer wieder verwendet werden. Damit ergibt sich sozusagen ein Zero-Waste-Prozess.
Beispiele für Lyocell, die bei uns im Shop erhältlich sind, sind die Kollektionen von Saint Basics aus Eukalyptus TENCEL™ und Tufte aus Bambus Lyocell. Rohstoffe für diese Fasern sind Eukalyptus Holz aus FSC zertifizierten Wäldern in Südafrika bzw. Bambus aus FSC zertifizierten Plantagen in China.
Man kann Lyocellfasern übrigens auch aus diversen zellulosehaltigen Rohstoffen herstellen, besonders geeignet ist die Südkiefer aus Florida, da diese Pflanze einen sehr hohen Zellulose Anteil hat.
Inwiefern sind diese Fasern nun nachhaltig zum Beispiel im Vergleich zu Baumwolle, bei der als natürlicher Rohstoff die Fasern nicht erst mit viel Energieverbrauch hergestellt werden müssen, sondern direkt von der Pflanze kommen?
Die Rohstoffe wachsen schnell nach und die Fertigprodukte können im Optimalfall nach Gebrauch kompostiert werden, wobei letzteres im richtigen Leben oft nicht so einfach ist wie in den Werbeversprechen
Alle drei der oben erwähnten Rohstoffe wachsen ohne künstliche Bewässerung, Düngemittel oder Pestizide. Im herkömmlichen (nicht biologischen) Baumwollanbau, wo noch immer ein Grossteil der Baumwolle in der Textilindustrie herkommt, werden hingegen sehr viel Fläche, Wasser und Pestizide eingesetzt. Eukalyptusbäume wachsen relativ schnell und dem Bambus kann man sogar fast beim Wachsen zuschauen, so schnell schiesst er in die Höhe. Wir achten zudem bei der Auswahl unserer Hersteller und Kollektionen darauf, dass die Rohstoffe für die chemische Textilproduktion aus FSC zertifiziertem Anbau stammen. Das ist sowohl für die österreichischen Buchenwälder, die zum Modal Gewebe der Erlich Textil Kollektion verarbeitet werden, für die südafrikanischen Eukalyptus Wälder, die zu Saint Basics Eukalyptus TENCEL™ werden, als auch für den chinesischen Bambus, der zum SoftBoost™ Material der Tufte Unterwäsche Kollektion wird, der Fall.
Was an diesen Fasern auch noch super ist? Sie sind biologisch abbaubar und können teilweise sogar kompostiert werden. Kompostierbar bedeutet hier gemäss europäischer Norm, dass ein Werkstoff innerhalb 12 Wochen zu mindestens 90% abgebaut ist. Dies wird unter den Bedingungen einer Industriekompostieranlage gemessen. Auf eurem Gartenkompost könnte es etwas schwieriger werden bzw. länger dauern. Und wichtig zu wissen ist auch, dass dies natürlich nur gilt, wenn auch alle anderen verwendeten Produkte, wie Garne für die Nähte oder Etiketten diesen Bedingungen entsprechen. Das kommt in den Werbeversprechen leider oft nicht so deutlich heraus.
Wir wollen vorerst aber nicht kompostieren, denn auch der hohe Tragekomfort dieser Fasern ist erwähnenswert. Weil die Fasern so angenehm zu tragen sind, machen viele Hersteller auch Unterwäsche aus diesen feinen Textilien. Modal wie auch Lyocell sind atmungsaktiv und können aufgrund der feinen Faserstruktur Feuchtigkeit sehr schnell vom Körper weg transportieren. Dadurch wirken sie antibakteriell und eignen sich auch für Allergiker. Darüber hinaus wirken sie wärmeregulierend, also wärmen bei Kälte und kühlen bei Hitze.
Ach ja, obwohl seidenfein zu tragen sind Modal und Lyocell Fasern sehr robust, was dazu führt dass die Kleidungsstücke auch nach mehrmaligem Waschen ihre Form gut behalten und lange wie neu aussehen.
Nachhaltigkeit umfasst viele Aspekte und so kann man nicht allgemein sagen welche Textilie die beste Wahl ist. Man muss immer das Gesamtbild, die ganze Lieferkette im Auge behalten, um dies abzuwägen. Und das ist ob der fehlenden Transparenz vieler Hersteller leider oft unmöglich
Was jetzt tatsächlich die beste Chemiefaser ist, kann nicht so allgemein beurteilt werden. Einerseits spricht der Chemikalien-Einsatz eher für die Lyocell Textilien, aber dafür wird teilweise Eukalyptus aus Südafrika oder Bambus aus China importiert. Das Modal Verfahren der Firma Lenzing ist sehr schonend und zudem CO2 neutral. Man muss sich bei der Entscheidung jeweils das Gesamtbild und die ganze Lieferkette anschauen. Woher kommen die Rohstoffe, unter welchen Umständen wurden sie gewonnen, welche Transportwege wurden bis zum Endprodukt zurückgelegt, wie verantwortungsbewusst agieren die Firmen, welche die Garne und Textilien und schliesslich die Kleidungsstücke herstellen.
Als Hilfestellung dafür haben wir euch eine tabellarische Übersicht über die Vor- und Nachteile der verschiedenen Chemie- oder Regeneratfasern zusammengestellt:
Material | + | - | Bemerkung |
Viskose |
Natürliche Rohstoffe Biologisch abbaubar Im Normalfall sind keine Bewässerung, Pestizide oder Düngemittel für die Rohstoffgewinnung nötig Leichte, atmungsaktive und wärmeregulierende Textilien |
Heikel, verliert schnell die Form, nicht Trockner-geeignet, Faser reisst schnell, kann eingehen Herstellung oft unter bedenklichen Bedingungen für Mensch und Umwelt, da giftige Chemikalien benötigt werden, um Zellulose aus dem Rohmaterial zu lösen und in die richtige Form zu bringen |
Auf die Herkunft des Rohmaterials achten: FSC zertifizierte Wälder, keine Monokulturen, Herkunftsort Auf den Herstellungsort achten: Energiebedarf in der Herstellung, Umgang mit Chemikalien Arbeitsbedingungen in den Herstellungsbetrieben sind ebenfalls zu beachten |
Modal |
Natürliche Rohstoffe: Buchenholz ist regional verfügbar, das heisst kurze Transportwege, falls in Europa hergestellt Biologisch abbaubar Im Normalfall sind keine Bewässerung, Pestizide oder Düngemittel für die Rohstoffgewinnung nötig Sehr formbeständig und robust, atmungsaktives, wärme- und Feuchtigkeits-regulierendes Material |
Es sind Chemikalien für die Herstellung nötig, die bei ungünstigen Produktionsbedingungen in die Umwelt gelangen können
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Auf die Herkunft des Rohmaterials achten: FSC zertifizierte Wälder, keine Monokulturen, Herkunftsort Auf den Herstellungsort achten: Energiebedarf in der Herstellung, Umgang mit Chemikalien Arbeitsbedingungen in den Herstellungsbetrieben sind ebenfalls zu beachten |
Lyocell (Tencel™) |
Natürliche Rohstoffe Biologisch abbaubar Im Normalfall sind keine Bewässerung, Pestizide oder Düngemittel für die Gewinnung des Rohstoffs nötig Es sind keine giftigen Chemikalien für die Gewinnung des Rohmaterials nötig Sehr formbeständig und robust, atmungsaktives, wärme- und Feuchtigkeits-regulierendes Material |
Rohstoffe wie Bambus oder Eukalyptus haben teilweise längere Transportwege bis zur Verarbeitung |
Auf die Herkunft des Rohmaterials achten: FSC zertifizierte Wälder, keine Monokulturen, Herkunftsort Auf den Herstellungsort achten: Energiebedarf in der Herstellung Arbeitsbedingungen in den Herstellungsbetrieben sind ebenfalls zu beachten |
Nachhaltige Chemie- oder Regeneratfasern im Sortiment von GreenUndies:
Eukalyptus TENCEL™ | Bambus Lyocell | (Mikro)modal |
Quellen und weiterführende Informationen:
- Bellevue NZZ über Textilien
- Magazin Utopia über Viskose
- Changing Markets Stiftung über Umweltverschmutzungen bei der Viskoseherstellung
- Facing Finance über den oben erwähnten Report
- Magazin Fashion Changers über Lyocell Modal